"Sozial gerecht: Gesundheit – Umwelt – Klima"

Diskussionspapier zum Kongress Armut und Gesundheit 2024

(Kurzversion, Stand 25.09.2023;   Die vollständige Version finden Sie hier.   Click here for the english version of the discussion paper)

Armut macht krank und Krankheit macht arm!” Mit dieser einfachen Formel hat Prof. Dr. Gerhard Trabert es auf den Punkt gebracht: der Einfluss des sozialen Status auf die Gesundheit gilt nach wie vor (Kongress Armut und Gesundheit, Eröffnungsveranstaltung Präsenzteil. Video 2023).

Aktuelle Zahlen zu Armutslagen in Deutschland zeigen eine enorme Verfestigung und Ausweitung von Armut. „16,9 Prozent der hier lebenden Bevölkerung sind von Armut betroffen“ (Der Paritätische Gesamtverband 2023, 4). Das ist 1% mehr als im Jahr 2022 (Der Paritätische Gesamtverband 2023).

Der Zusammenhang zwischen Armut und Gesundheit ist auch für Deutschland umfassend dokumentiert (Lampert, et al. 2017). Eine Vielzahl an Daten und Fakten aus dem internationalen Raum bestätigt darüber hinaus, dass mit steigender sozialer Ungleichheit (insb. Einkommen) soziale und gesundheitliche Probleme, wie etwa psychische Erkrankungen und Gewalt deutlich zunehmen (u.a.Wilkinson und Pickett 2009; mehr dazu hier).

Sozial gerecht: Gesundheit – Umwelt – Klima: Inhaltlicher Schwerpunkt des Kongresses 2024

Der Kongress 2024 möchte die Diskussion über den Zusammenhang zwischen Armut und Gesundheit unter genauerer Betrachtung des Zusammenhangs zwischen Umwelt, Klima, Armut und Gesundheit fortführen; denn: „Der Klimawandel ist die größte Herausforderung für die Menschheit“ (Robert Koch-Institut 2023, 3). Er gefährdet nicht nur unsere natürlichen Lebensgrundlagen: „Der Klimawandel gefährdet auch unsere Gesundheit – und die der künftigen Generationen“ (Umweltbundesministerin Steffi Lemke, Umweltbundesamt und BMUV 2022). Und „seine Bewältigung [ist] der bedeutendste globale Ansatzpunkt für die Öffentliche Gesundheit“ (Lancet Commission on Health and Climate Change 2015, 1798).

„Der Klimawandel gefährdet […] unsere Gesundheit“: Folgen von Umwelt- und Klimaveränderungen auf die Gesundheit armer Menschen

Die negativen Folgen des menschengemachten Klimawandels betreffen alle Menschen in allen Regionen der Welt. Allerdings nicht überall in gleichem Umfang. Besonders verletzbare Bevölkerungsgruppen, die am wenigsten zum Klimawandel beitragen, sind unverhältnismäßig stark hiervon betroffen. Dies gilt sowohl auf globaler Ebene (IPCC 2022) als auch auf nationaler Ebene (Sachverständigenrat für Umweltfragen 2023).

Das gleiche Bild zeigt sich auch für die Verteilung von Umweltbelastungen (z.B. Verschmutzung, Lärm, Luftschadstoffe) und von Umweltressourcen (z.B. Zugang zu Parks; mehr dazu in der ausführlichen Version des Diskussionspapiers)  (Bunge und Rehling 2020, Shrestha, et al. 2016, SenUMVK 2022).

„Soziale Gerechtigkeit und ökologische Schutzfrage nicht gegeneinander ausspielen“: Konzepte für mehr gesundheitliche Chancengleichheit in Zeiten von Umwelt- und Klimaveränderungen

Die derzeitigen globalen ökologischen und sozialen Krisen haben eine Reihe gemeinsamer Treiber. Um diese ursächlich zu adressieren, ist eine tiefgreifende nachhaltige Transformation der Art und Weise, wie wir Gesellschaft organisieren, nötig (Sachverständigenrat für Umweltfragen 2023, 26). Besonders zentral hierbei ist, dass “soziale Gerechtigkeit und ökologische Schutzfrage nicht gegeneinander ausgespielt werden“ (Maja Göpel, Kongress Armut und Gesundheit, Eröffnungsveranstaltung digitaler Teil. Video 2023).

Welche Konzepte, Strategien, Informationsquellen und Praxishilfen gibt es bereits, um Gesundheit mit Umwelt- und Klimaaspekten zusammenzudenken ohne dabei die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit aus dem Blick zu lassen?

„Wertschätzender gesellschaftlicher Gesprächsraum sein“: Einladung zum Kongress 2024

Prof.in Dr.in Maja Göpel schloss ihre Keynote 2023 mit der Feststellung, dass es wertschätzende gesellschaftliche Gesprächsräume brauche, in der mutig Grundsätzliches infrage gestellt werden dürfe und unterschiedliche Positionen und Perspektiven gehört werden, um zu gemeinsamen Lösungen zu kommen (Kongress Armut und Gesundheit, Eröffnungsveranstaltung digitaler Teil. Video 2023)Der Kongress Armut und Gesundheit möchte einen solchen Gesprächsraum zu den Ursachen und Folgen der Klima- und Umweltkrise auf (die körperliche und mentale) Gesundheit, sowie der konkreten Ausgestaltung der notwendigen Transformationsprozesse öffnen.

Wir laden herzlich dazu ein, folgende (und weitere) Fragen auf dem kommenden Kongress (mit) zu diskutieren:

  • Welche (vielleicht auch neuen) Allianzen braucht es, um das Thema erfolgreich in die Öffentlichkeit zu tragen und im politischen Raum zu verankern?
  • Wie wird die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie bislang umgesetzt und was benötigt es ggf. hierfür (an weiteren Partner*innen, Strukturen…)?
  • Wie können die 2024 neu zu schaffenden Institutionen (wie das Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit) und Instrumente (wie der Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst) im Bereich Public Health / Öffentliche Gesundheit transformativ wirken?
  • Wie können Menschen stärker an diesen transformativen Prozessen beteiligt werden?
  • Mit wem könnten neue (vielleicht auch ungewöhnliche) Allianzen für Chancengerechtigkeit und Transformation geschmiedet werden mit dem Ziel umfassenden Wohlergehens?
  • Wie können gesundheitsförderliche Maßnahmen mit Umwelt- und Klimaschutz sowie Chancengerechtigkeit konsequent zusammengedacht und -gebracht werden?
  • Was gibt es bereits an guter Praxis in Deutschland und international im Bereich …
    • der umweltschonenden, chancengerechten- UND gesundheitsförderlichen Entwicklung?
    • der transsektoralen und multiprofessionellen Zusammenarbeit verschiedener Akteur*innen?
    • der Teilhabe von gesundheitlicher, sozialer oder umweltbezogener Ungleichheit betroffener Menschen?
  • ...

Eine Übersicht der Kriterien, nach denen die eingehenden Beiträge bewertet werden, findet sich unter https://www.armut-und-gesundheit.de/kongress-2024/auswahlverfahren.  Wichtig ist den Veranstaltern dabei der Bezug auf sozial- und umweltbedingte gesundheitliche Ungleichheiten und die Berücksichtigung der Perspektive        von Menschen mit Armutserfahrung. Weiterhin begrüßen wir Beiträge, die innovative Ansätze der lebenswelt- und lebensweltübergreifenden Transformation mit Fokus auf Co-benefits für Gesundheit und Umwelt illustrieren und diskutieren. Auch ressortübergreifende sowie – wo immer möglich – partizipative Ansätze sowie die Aktualität der Beiträge sind für die Bewertung durch die Programmkomitees relevant.


Literaturverzeichnis

Bunge, Christiane, und Julia Rehling. „Umweltgerechtigkeit in Städten - empirische Befunde und Strategien für mehr gesundheitliche Chancengleichheit.“ Informationen zur Raumentwicklung, Nr. 1 (2020): 70-83.

Der Paritätische Gesamtverband. „Zwischen Pandemie und Inflation. Paritätischer Armutsbericht 2022. Aktualisierte 2. Auflage.“ Berlin, 2023.

IPCC. Climate Change 2022: Impacts, Adaptation and Vulnerability. Contribution of Working Group II to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. UK and New York: Cambridge University Press, 2022.

Kongress Armut und Gesundheit. Eröffnungsveranstaltung digitaler Teil. Video. 06. März 2023. www.youtube.com/watch.

Kongress Armut und Gesundheit. Eröffnungsveranstaltung Präsenzteil. Video. 21. März 2023. www.youtube.com/watch.

Lampert, Thomas, Jens Hoebel, Benjam Kuntz, Stephan Müters, und Lars E. Kroll. Gesundheitliche Ungleichheit in verschiednen Lebensphasen. Gesundheitsberichterstattung des Bundes gemeinsam getragen von RKI und DESTATIS. Berlin: Robert Koch Institut, 2017.

Lancet Commission on Health and Climate Change. „Tackling climate change: the greatest opportunity for global health.“ The Lancet Commissions 386, Nr. 10006 (2015): 1798-1799.

Robert Koch-Institut. „Auswirkungen des Klimawandels auf Infektionskrankheiten und antimikrobielle Resistenzen - Teil 1 des Sachstandsberichts Klimawandel und Gesundheit 2023.“ Journal of Health Monitoring 8(S3) (2023).

Sachverständigenrat für Umweltfragen. „Umwelt und Gesundheit konsequent zusammendenken. Sondergutachten.“ Berlin, 2023.

SenUMVK. „Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verkehr- und Klimaschutz.“ Die umweltgerechte Stadt. Umweltgerechtigkeitsatlas. Aktualisierung 2021/2022. 2022. www.berlin.de/sen/uvk/_assets/umwelt/umweltgerechtigkeit/umweltgerechtigkeitsatlas-broschuere.pdf (Zugriff am 12. Juli 2023).

Shrestha, Rehana, Johannes Flacke, Javier Martinez, und Martin van Maarseveen. „Enviromental Health related socio-spatial inequalities: identifying "hotspots" of enviromental burdens and social vulnerability.“ International Journal of enviromental research and public health 12, Nr. 7 (2016): 619-713.

Umweltbundesamt, und BMUV. Klimarisiken gefährden Lebens- und Umweltqualität. Gemeinsame Pressemitteilung von Umweltbundesamt und Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. 28. 02 2022. www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/klimarisiken-gefaehrden-lebens-umweltqualitaet (Zugriff am 26. Juli 2023).

United Nations. „Transforming our World: The 2030 Agenda for Sustainable Development.“ 2015. sustainabledevelopment.un.org/content/documents/21252030%20Agenda%20for%20Sustainable%20Development%20web.pdf (Zugriff am 07. Juli 2023).

Wilkinson, Richard G., und Kate E. Pickett. „Income Inequality and Social Dysfunction.“ Annual review of sociology 35 (2009): 493-511.

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